
Polio-Impfaktion in Nigeria (photo © Monika Lozinska, Rotary International)
Auszug aus einem Interview der Global Polio Eradication Initiative mit dem Epidemiologen David Heymann
Letzten Monat sprachen wir mit dem Leiter der Containment Advisory Group, Professor David Heymann, über einige der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Bekämpfung des Polio- und des Pockenvirus und der Arbeit der CAG. Mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich der öffentlichen Gesundheit hat David Heymann daran gearbeitet, die Ausbreitung von SARS, Ebola, Zika-Virus, HIV, Malaria und Masern zu kontrollieren und einzudämmen – und das zusätzlich zu den Maßnahmen zur Ausrottung von Polio und Pocken. Derzeit ist er Professor für Infektionsepidemiologie an der London School of Hygiene and Tropical Medicine und Leiter des Centre on Global Health Security am Chatham House, London.
Frage: Als Teil Ihrer umfangreichen Erfahrung mit Infektionskrankheiten waren Sie an der Ausrottung der Pocken beteiligt, einer Krankheit, die allein im 20. Jahrhundert den Tod von mehr als 300 Millionen Menschen forderte. Wie kamen Sie zu dieser Arbeit und welche Schwierigkeiten gab es bei der Ausrottung?

David Heymann, Professor für Infektionsepidemiologie (photo ©WHO)
Für das Pockenprogramm wurde ich von der WHO als Kurzzeitberater eingestellt und verbrachte zwei Jahre vor Ort im Bundesstaat Bihar, Indien.
Die Bekämpfung der Pocken war eigentlich sehr einfach durchzuführen, mit zwei grundlegenden Strategien: aufspüren und eindämmen. Das Aufspüren bestand darin, nach Kindern oder Erwachsenen mit klassischen Anzeichen von Pocken zu suchen, indem man von Haus zu Haus, in Dörfer, Gemeinden, auf Märkte und religiöse Feste ging – überall dorthin, wo Menschen zusammenkamen. Wir nahmen Fotos von Pocken mit, damit die Leute wussten, wonach wir suchten. Wir erklärten ihnen, dass wir diese Krankheit ausrotten und damit Schmerzen und Leiden lindern wollten. Das nahmen die Gemeinden sehr positiv auf.
Sobald ein Erkrankter identifiziert worden war, nahmen wir dessen Adresse auf und machten einen Hausbesuch. Sofern die Diagnose wirklich Pocken hieß, wurde der Patient dann isoliert und eine lokal begrenzte Impfaktion bei Mitgliedern von 30 Haushalten im Umfeld des Patienten durchgeführt – eine sogenannte „Eindämmungsaktion“.
Frage: Würden Sie sagen, dass die Ausrottung der Pocken einfacher war/ist als die Ausrottung von Polio?
Ja. Im Vergleich zu Polio waren Pocken viel einfacher auszurotten. Ein Hauptgrund dafür ist der Charakter der Kinderlähmung, wobei nur einer von etwa 200 Fällen die typischen Symptome zeigte. Bei Pocken führte jede Infektion zum gleichen klinischen Erscheinungsbild, was das Aufspüren und Isolieren der Patienten erleichterte. Es erleichterte auch die Beobachtung der Kontaktpersonen und deren sofortige Isolation, sollten diese Anzeichen von Fieber zeigen.
Aus logistischer Sicht wurde viel weniger Impfstoff benötigt, um die Übertragung der Pocken zu stoppen, da die Strategie nicht Massenimpfung, sondern Ringimpfung war – also die Impfung von Menschen in Haushalten in der Umgebung des Patienten und allen anderen Personen, von denen bekannt war, dass sie Kontakt mit dem Patienten hatten. Der Impfstoff war hitzebeständig, d.h. er konnte ohne Kühlkette überallhin transportiert werden. Im Gegensatz dazu muss der Polio-Impfstoff gekühlt werden.
F: Welcher Virus ist infektiöser? Und welche Unterschiede in Bezug auf die Eindämmung gibt es?
Der Infektionsweg der Viren ist unterschiedlich: Variola-Viren werden durch direkte Tröpfcheninfektion übertragen, z.B. wenn ein Patient niest oder durch Kontakt mit dem Eiter aus den Pockenläsionen. Polio-Viren werden fäkal-oral übertragen. Sie können durch verunreinigtes Wasser übertragen werden, also viel einfacher als Pocken, und sie können sich viel weiter ausbreiten.
Wenn wir uns die Eindämmung ansehen, dann ist Polio viel komplexer. Einer der Hauptunterschiede besteht darin, dass Experten nicht davon ausgehen, dass das Polio-Virus vollkommen vernichtet wird, wie es bei den Pocken der Fall war. 26 Länder wollen das Poliovirus weiterhin für Forschung und Impfstoffherstellung nutzen. Wir haben es nicht nur mit dem wilden Poliovirus zu tun, sondern auch mit lebenden Sabin-Virusstämmen, die in oralen Polioimpfstoffen vorkommen. Wir haben es mit infektiösem und potenziell infektiösem Material zu tun. Und außerdem wurde das Virus „de novo“ von einem Forschungslabor konstruiert. Es ist also eine sehr komplizierte Endphase.
Die Eindämmung der Pocken war hingegen relativ einfach zu handhaben. Es gab eine Resolution der WHO, entsprechendes Virus-Material zu vernichten oder zu transferieren, die Länder haben diese Resolution angenommen, und alles schritt sehr schnell voran.
Und spenden Sie –
zum Beispiel im Rahmen der
„Miles to End Polio„-Fahrradrallye!