Von Dave King, Rotary Club Elthorne-Hillingdon, Redakteur des Rotary Magazins für Großbritannien und Irland / übersetzt von Stefan Meuser, Rotary International
Als Holger Knaack als der neue Präsident von Rotary International Anfang dieses Jahres vor der Internationalen Versammlung in San Diego, Kalifornien, sprach, hätten nur wenige geahnt, wie prophetisch seine Worte drei Monate später werden würden.
„Natürlich wissen wir nicht, was das neue Jahrzehnt bringen wird, aber was auch immer es ist, wir müssen uns immer unserer besonderen Verantwortung bewusst sein. Denn bei Rotary stehen wir für die Werte Gleichheit, Toleranz und Frieden. Toleranz ist gerade jetzt in so vielen Teilen der Welt ein relevantes Anliegen. Rotary ist nicht politisch und das muss auch so bleiben. Aber wenn Dinge offensichtlich in die falsche Richtung gehen, können wir nicht wegschauen. Rotarier dürfen nicht stumm bleiben. Wir stehen zu unseren Werten und unserer Vier-Fragen-Probe. Wir werden nicht nur an unseren Ergebnissen gemessen, sondern auch an unserer Haltung.“
Holger Knaack, 24. Januar 2020.
Am 25. Mai wurde im 2.400 Kilometer entfernten Minneapolis der 46-jährige Afro-Amerikaner George Floyd während seiner Verhaftung aufgrund einer angeblich gefälschten Banknote von der Polizei getötet. Sein Tod entfachte Proteste in aller Welt, bei denen Menschen auch den Rassismus in ihren eigenen Ländern anprangerten.
Auseinanderdriften der Gesellschaft
In seiner Rede hatte Holger Knaack als erster Deutscher, der in das höchste Amt von Rotary gewählt wurde, auf die Zeiten vor einem Jahrhundert und auf die gesellschaftlichen Unruhen verwiesen, die damals über sein eigenes Land hereinbrechen sollten. „Wir haben die Schwelle zu einem neuen Jahrzehnt überschritten. Vor hundert Jahren hieß es ‚Die wilden Zwanziger Jahre‘. Unsere Erinnerungen an diese Zeit sind durch Bilder und Filme verzerrt worden. In Wirklichkeit war dieses Jahrzehnt ein Jahrzehnt, in dem die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftete und die Katastrophe folgte.“
Zeitsprung: Im August werden Demonstranten von Black Lives Matter in Wisconsin niedergeschossen. Holger Knaack ist beunruhigt über das, was er sieht und liest. „Natürlich fragen wir uns, wie so etwas geschehen kann. Unrecht und Rassismus sind einfach nicht akzeptabel, ebenso wenig wie diejenigen, die mit Gegengewalt protestieren, auch das ist inakzeptabel. Ich bin schockiert über das, was in den Vereinigten Staaten geschehen ist.“
Diskriminierung geschieht überall unterschiedlich
Doch während weltweit Parallelen gezogen werden, besteht Holger Knaack auch darauf, dass sich das, was in Amerika mit Black Lives Matters passiert, von dem unterscheidet, was anderswo geschieht. „Man findet Rassismus in dieser Form vielleicht nicht überall, aber man kann definitiv überall Diskriminierung finden. Wir müssen in unserer Geschichte nach den Ursprüngen suchen, um diese zu bekämpfen“, sagt er und weist darauf hin, dass Diskriminierung in anderen Ländern und Kulturen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist.
„Diskriminierung hängt von der Geschichte eines Landes ab und davon, wie sie begann. Das kann in Indien oder Japan, im Vereinigten Königreich oder Deutschland oder anderswo jeweils anders aussehen. Man muss in seine eigene Geschichte eintauchen, Land für Land, denn Diskriminierung geschieht unterschiedlich.“
Die Geschichte offenlegen und daraus lernen
Holger wurde 1952 geboren, als aus den Schrecken des Zweiten Weltkriegs ein neues Deutschland hervorging. Unter dem Druck der Nationalsozialisten hatten sich die Rotary Clubs in Deutschland im Oktober 1937 aufgelöst und nur widerwillig ihre Charters an Rotary International zurückgegeben. Einige Clubs trafen sich während des Krieges weiterhin privat, aber erst 1948 erlaubte die politische Verwaltung die Rückkehr von Rotary in die neue Bundesrepublik Deutschland.
Auch über diese Zeit von Rassismus und Diskriminierung reflektiert Holger Knaack: „Mein Land hat bekanntermaßen die schlimmsten Beispiele zu verzeichnen. Jedes Land muss seine eigenen Probleme und seine Vergangenheit bewältigen.“
„In Deutschland begann das dunkelste Jahrzehnt Mitte der 30er-Jahre vor dem Krieg, als sich all diese Dinge entwickelten und die meisten Rotary Clubs Teil des Systems wurden. Daran gibt es keinen Zweifel“, erläutert Knaack weiter. „Eine Gruppe von Historikern trug vor nicht allzu langer Zeit in einem Buch zusammen, wie auch Rotary Clubs ihre jüdischen Mitglieder diskriminierten. Das ist nichts, worauf man stolz sein kann. Aber ich glaube nicht daran, die Geschichte aus dem Gedächtnis zu löschen, sondern man muss aus ihr lernen. Daran glaube ich voll und ganz. Es muss alles offengelegt werden, damit wir für unsere Zukunft daraus lernen können.“
Taskforce für Vielfalt, Gleichbehandlung und Inklusion
Nach dem Tod von George Floyd veröffentlichte Rotary International eine eigene Erklärung zu Vielfalt, Gleichbehandlung und Inklusion, die vor zwei Jahren zum ersten Mal formuliert wurde. In diesem Sommer dann beschloss der Zentralvorstand, dass mehr in der Richtung getan werden müsse und richtete eine Taskforce von Experten aus aller Welt ein, die einen internationalen Ansatz für die Initiative suchen.
Das Ziel soll es dabei laut eines Arbeitspapiers sein, durch sinnvolle Aktionen messbare und bleibende Veränderung in Rotary zu schaffen. Die Taskforce „… wird nach Wegen suchen, Vorurteile und Ungerechtigkeiten in unseren Büros und in Clubs, Distrikten, Ausschüssen und Programmen anzusprechen. (…) Die Taskforce wird eine Ressource für unsere Clubs sein, um auf diejenigen einzugehen, die sich in Rotary Clubs, von Mitarbeitern oder in Programmen nicht willkommen oder geschätzt gefühlt haben.“
Vielfalt ist ein Grundwert von Rotary
Und es ist dem Präsidenten wichtig, in diesem Zusammenhang zu betonen, dass es sich nicht nur um ein amerikanisches Problem und um Black Lives Matter handele, sondern um einen ganzheitlich neuen Ansatz für Vielfalt, Gleichbehandlung und Inklusion: „Wir suchen hier Rat, um definitiv das Richtige zu tun. Es ist noch nicht zu spät dazu. Ich würde den Rotary Clubs wirklich gerne einen Weg zeigen, wie sie dies in die Tat umsetzen können, in einer Weise, die jeweils zu ihrem Land und ihrer Kultur passt.“
Ein Zwischenbericht soll im nächsten Juli fertig sein. Darin will die Arbeitsgruppe darlegen, wie inklusiv Rotary Clubs sein können und was sie tun, um das zu realisieren. Für Holger Knaack bedeutet dies viel: „Für mich steht Vielfalt nicht einfach auf der Wunschliste für einen Rotary Club, sie gehört zu unseren Grundwerten.“
Der Beitrag erschien im Original in der Ausgabe Oktober/November 2020 des Rotary Magazins für Großbritannien und Irland.