Gedanken zum Weltkriegsjubiläum – TEIL I

Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg mit dem Waffenstillstand von Compiègne. Zum einhundertjährigen Jubiläum fanden Gedenkveranstaltungen und Staatsakte in vielen Ländern und mit eingehender Medienbeachtung statt. Dennoch stellt sich angesichts der derzeitigen globalen Spannungen und Kriege weltweit die uralte Frage, ob die Menschheit je aus ihrer Geschichte lernen kann. Diese Frage ist natürlich besonders für Rotarier und Rotaracter, die sich für Weltfrieden und internationale Zusammenarbeit einsetzen, relevant.

Auch wir wollten das Jubiläum zum Anlass nehmen, um Freundinnen und Freunde nach ihrer Meinung zu fragen, und wir stellten dazu die gleichen zwei Fragen:

  • 1) Was bedeutet für Sie persönlich das Ende des Ersten Weltkrieges?
  • 2) Was können wir heute daraus lernen?

Die Antworten sind teilweise umfangreich, deshalb veröffentlichen wir sie in zwei Teilen. Hier also Teil 1 mit Stimmen aus Deutschland (im nächsten Post kommen dann Rotarier/innen aus Österreich, Belgien und England zu Wort):

DEUTSCHLAND

Raymond Metz, RC Mülheim-Ruhr-Schloss Broich

  1. Mein Großvater entfloh während des Kriegs seine Heimat Belgien und wanderte in die neutralen Niederlande und gründete dort seine Familie mit einer niederländischen Frau. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges konnte er die Kontakte mit seiner zurückgelassenen Familie wiederaufnehmen. Die grenzüberschreitenden Kontakte und Freundschaften die sich daraus ergaben, machte die Betroffenen offener für neue Bekanntschaften, Freundschaften über die Landesgrenze hinaus. Ich besitze die belgische und niederländische Staatsbürgerschaft und lebe und arbeite mit meiner niederländischen Ehefrau in Deutschland, wo meine Kinder geboren und groß geworden sind. Wir sind Europäer!
  2. Freundschaft, Vertrauen, Wahrheit und Offenheit (elementare rotarische Werte) bilden die wichtigste Basis um Frieden zu wahren/erhalten. Sie sollten besonders gestärkt werden in Zeiten wo Populismus, Nationalismus diese Werte untergraben und Misstrauen gesät wird. Da kann Rotary mit seinem Werte-Verständnis stärkend auf die Gesellschaft einwirken und sich für Frieden, Zusammenhalt und Freundschaft einbringen.

Holger Knaack, RC Herzogtum Lauenburg-Mölln

  1. Das Ende von unvorstellbarem Grauen und menschenverachtender Politik.
  2. Eine Mahnung: Nur der Verzicht auf nationale Alleingänge und ein geeintes Europa können dauerhaften Frieden auf unserem Kontinent sichern.

Florian Wackermann, RAC und RC Germering

  1. Das Ende des ersten Weltkriegs scheint ja den Beginn des nächsten direkt „vorbereitet“ zu haben (so wie der Friede von 1871 dafür der Vorläufer war). Das Ende des zweiten Weltkriegs hingegen hat gezeigt, dass es auch anders geht.
    Meine Lektion aus dem Ende des 1. Weltkriegs ist: Wenn der Stärkere seine Macht ausnutzt, um den Schwächeren so richtig in seine Schranken zu weisen, dann schafft das den Nährboden für den nächsten Konflikt. Eine Lösung für langfristig friedliches Zusammenleben kann nur entstehen, wenn Menschen den Eindruck haben, dass sie grundsätzlich respektvoll und ebenbürtig behandelt werden – so schwer das auch für den Sieger, der seine eigenen Verletzungen und Entbehrungen erlitten hat, im Einzelfall sein mag.
  2. Wir leben in einer Welt mit gravierenden und sehr schnellen Veränderungen. Dabei fühlen sich viele um uns als Verlierer und Betrogene. Wir können dazu beitragen, Hände zu reichen, Menschen mitzunehmen und Lösungen zu finden, die die Schwachen erreichen. Dadurch können wir spürbar zum Frieden beitragen. Völkerverständigung schafft Verständnis für andere Völker (oder andere Lebensweisen oder andere Kulturen…).

Falko Weerts, RC Syke-Utbremen

  1. Mir ist gut erinnerlich, dass mein Vater (Jahrgang 1911) in meiner eigenen Nachkriegs- und Entbehrungszeit von der Hungerblockade (ab ca. 1916) erzählt hat, die er als Kind in grässlicher Erinnerung hatte. Obwohl hoher Offizier hat er uns erzogen, uns stets für den Frieden und die menschliche Verständigung einzusetzen. Insofern hat das Ende des 1. Weltkriegs unmittelbare Auswirkungen auf mein Verhalten.
  2. Ich teile nicht die Auffassung Hegels, die Menschheit lernt nur durch Kriege. Erich Fromm sagt: ‚Die brüderliche Harmonie aller Menschen‘ wird es kaum geben, aber eine ‚Nichtkriegssituation‘ müssen wir erstreben. Auch wenn es –  sieht man in die Welt – schwer ist, Zuversicht zu behalten, so liegt es in unserer eigenen Hand und ich werde immer für Frieden eintreten.

Frauke Eichenauer, RC E-Club Hanse D 1940

  1. Es zeigt, in welchem Chaos und Leid übertriebener Nationalismus enden kann, und wie wichtig es insbesondere für uns in Europa ist, die EU zu stärken und weiterzuentwickeln
  2. Das wir in dieser Zeit, in der wie vor dem 1. Weltkrieg, Nationalismus, Protektionismus und insbesondere das Irrationale in der Politik wieder zunehmen weiterhin für andere Meinungen offen sein sollten.

Jörg Zempel, RC Syke

  1. Der Erste Weltkrieg hat nur eine untergeordnete Bedeutung für die Generation, die während des Zweiten Weltkrieges geboren wurden. Im Geschichtsunterricht wurde dieses Ereignis zwar behandelt, aber die Tragweite lag deutlich unter den Grausamkeiten des Zweiten Weltkrieges.
  2. Nur Verrückte beginnen einen Krieg, denn es gibt keinen Gewinner im traditinellen Sinn, nur Elend und Verluste auf allen Seiten.

Jan Hartmann, RAC Heilbronn

  1. Am 11. November 1918 endete dieser furchtbare Krieg, der Millionen Menschen das Leben kostete. Für meine Generation ist dieser Krieg oft schon fast vergessen, wissen doch nur die Wenigsten wirklich über die Ursachen und Folgen des ersten Weltkrieges Bescheid. Aber die Folgen, zu denen wohl auch der Nationalsozialismus zu zählen ist, beschäftigen uns bis heute. Hat das Ende des ersten Weltkrieges, aus heutiger Sicht, sicher eine geringere Bedeutung als das Ende des zweiten Weltkrieges, erinnert es mich trotzdem immer wieder daran, wie veraltete Denkweisen unserer Gemeinschaft langfristig schaden können.
  2. Es bringt niemandem etwas, sich vor anderen Menschen, oder anderen Ländern zu verschließen. Im Nachgang des ersten Weltkrieges wurden die nationalen Tendenzen in ganz Europa immer größer. Ähnliches sehen wir gerade wieder. In immer mehr Ländern gelangen rechtspopulistische Parteien an die Macht, die sich von einem vereinten Europa und den vereinten Nationen abschotten. Unsere Demokratie, ist eines der wertvollsten Güter der heutigen Zeit. Diese ist im Großteil Europas nach Ende des Krieges entstanden und wahrscheinlich eines der größten Vermächtnisse des ersten Weltkrieges. Unsere heute Demokratie müssen wir durch konstruktive Dialoge und gemeinsamen Austausch gegen antidemokratische Tendenzen verteidigen. Nur als offene Gesellschaft können wir Probleme gemeinsam und friedlich lösen, damit weder wir noch nachfolgende Generationen in Zukunft solche Kriege erleben müssen.

 

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