Text von Vanessa Glavinskas, Illustrationen von Harry Campbell
Textbearbeitung von Gundula Miethke (Rotary International)
Im Internetzeitalter gehört zu den Grundfertigkeiten auch die Kompetenz, zwischen Fakten und Fiktion unterscheiden zu können. 2015 initiierte die Stanford University eine 18-monatige Studie mit Schülern an Mittel- und Oberstufenschulen sowie Hochschulen in mehreren US-Bundesstaaten, um herauszufinden, wie gut sie Informationen aus dem Internet oder in den Sozialen Medien bewerten können. Fast 8.000 Schüler und Studenten nahmen an der Studie teil, die einige interessante Erkenntnisse brachte.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass sich die Schüler sehr leicht täuschen lassen. Viele Mittelstufenschüler konnten den Unterschied zwischen einer Nachricht und einer Anzeige nicht erkennen. Hochschulstudenten waren nicht in der Lage, eine etablierte Nachrichtenquelle von einer Interessengruppe zu unterscheiden. Oft urteilten die Studenten einfach nach dem äußeren Erscheinungsbild der jeweiligen Website.
Die Studie hat damit ein grundlegendes Problem aufgezeigt: Die heutigen Schüler – zumindest in den USA – haben Schwierigkeiten, in Online-Medien zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden.
Online-Lern-Tool für Fakten-Check
Peter Adams ist einer der Leiter des News Literacy Project (newsliteracy.org), einer Non-Profit-Organisation, deren Ziel es ist, den Klassen der Mittel- und Oberstufenschulen in den USA Medien- und Informationskompetenz zu vermitteln.
„[Die Online-Medien sind] verwirrend, weil die Nutzer Informationen hier in komprimierter Form konsumieren und soziale Medien die Beiträge einheitlich erscheinen lassen. Ein Post aus einem Blog für Verschwörungstheorien sieht genauso aus wie ein Post von der Washington Post [etablierte US-Tageszeitung].“
Um Schülern zu helfen, Informationen auszuwerten und zu verifizieren, startete das Projekt „News Literacy“ ein virtuelles Klassenzimmer namens „Checkology“ (checkology.org). Ein Teil des webbasierten Tools ermöglicht Lehrern, ihren Schülern Nachrichten, Tweets und andere Social-Media-Beiträge zu präsentieren. Die Schüler müssen feststellen, ob sie glaubwürdig sind, indem sie nach einer Vielzahl von „Warnsignalen“ Ausschau halten.
Zu den Quellen gehen
Lehrerin Jodi Mahoney nutzt Checkology seit letztem Sommer. Sie unterrichtet u. a. eine Gruppe von Sechstklässlern an der Carl von Linné-Grundschule in Chicago. „Beschäftigt euch alle mit Modul drei“, weist Mahoney ihre Schüler an. Die Schüler setzen Kopfhörer auf und melden sich im Online-Tool an. Die zwölfjährige Guadalupe versucht herauszufinden, ob ein Facebook-Post, der zu einem Artikel mit der Überschrift „CDC [US-Zentren für Seuchenbekämpfung] warnt in diesem Jahr vor Grippeimpfungen“ verlinkt, vertrauenswürdig ist. Sie entscheidet letztendlich, dem Post und dem Artikel zu vertrauen, weil darin „eine Menge Fakten über die Grippe stehen“ und eine Quelle angegeben ist. Sie klickt auf „wahr“ und Checkology korrigiert sie. Diese Nachricht ist falsch.
„Diese Lektion zeigt, dass das bloße Lesen eines Beitrags nicht das vermittelt, was man wissen muss“, erklärt Adams. „Wenn man nicht die Quellen zurückverfolgt, kann man nicht beurteilen, ob etwas wahr ist oder nicht.“
Wie werden die nächsten zehn Jahre?
Checkology rege Schüler dazu an, skeptisch zu sein, meint Lehrerin Mahoney. Anfangs konnten ihre Schüler nicht zwischen Nachrichten, Unterhaltung und Werbung unterscheiden – alles erschien ihnen gleich. Nach 13 Wochen stellte sie jedoch, dass die Schüler bewusster mit den Online-Medien umgehen und die Zusammenhänge besser verstehen. Dennoch müssten sie weiter üben. „Informationskompetenz muss bis zur Hochschule weiter unterrichtet werden.“
Im Juli 2017 schloss sich das Pew Research Center mit dem Imagining the Internet Center der Elon University zusammen, um Experten nach ihrer Einschätzung zu fragen: Werden sich in den nächsten zehn Jahren neue Methoden entwickelt zur Blockierung von Falschnachrichten und werden korrekte Informationen in den Online-Medien überleben oder wird sich die Qualität der Online-Informationen verschlechtern. Sie sammelten Antworten von 1.116 Personen, darunter Experten aus dem Technologiesektor, Forscher, Journalismus-Professoren, Experten für Internetpolitik und Medienbeobachter.
Zwischen Filterblase und technologischem Fortschritt
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (51 Prozent) sagte, der Wahrheitsgehalt der Online-Informationen würde sich verschlechtern. Da Menschen von Natur aus solchen Geschichten mehr Glauben schenken, die ihren eigenen Anschauungen entsprechen und ihr Verlangen nach Bestätigung stillen, werden sich diese Beiträge in den Sozialen Medien weiter durchsetzen und die Filterblasen noch verstärken, meinten diese Experten.
Die optimistischeren Experten sagten hingegen, dass durch den technologischen Fortschritt die Verbreitung von Falschinformationen in Zukunft besser unterbunden werden könnte. Außerdem würde eine verbesserte Informationskompetenz den Nutzern dabei helfen, den Wahrheitsgehalt von Online-Inhalten besser beurteilen zu können.
Informationskompetenz als vorrangiges Bildungsziel
Das Ergebnis der Umfrage: Technologie alleine kann den Kampf um die Wahrheit nicht gewinnen. Die Öffentlichkeit muss die Produktion objektiver, korrekter Nachrichten finanzieren und unterstützen. Auch die Informationskompetenz muss zu einem vorrangigen Bildungsziel gemacht werden.
„Medienkompetenz versetzt alle Nutzer, vor allem aber Jugendliche, in die Lage, glaubwürdige Informationen zu erkennen, was wiederum für gesellschaftliche Teilhabe und Demokratie unerlässlich ist.“
Peter Adams (info@thenewsliteracyproject.org )
Rotarisches Bildungsengagement
Neue Großspenden-Initiative für Elementarbildung und Alphabetisierung: Die Spenden werden eingesetzt für Bildungsprojekte wie Lehrer-Schulungsprogramme, Berufstrainingsteams, Integration von neuen Technologien in Unterrichtsprogramme und Alphabetisierung für Erwachsene. Weitere Informationen bei AOF.campaigns@rotary.org.
Die Rotary Literacy Action Group: Diese Aktionsgruppe kann Sie bei Projekten im Bereich Bildung unterstützen. Vor allem sind Clubs willkommen, die den Begriff Lesekompetenz weiter fassen und auch Medienkompetenz mit einbeziehen. Weitere Informationen unter litrag.org.